Gedenken an J.L.Kinner

Julius Leopold Kinner (* 31. März 1837 in Wien; † 6. Februar 1894 in Matzendorf, NÖ) war ein österreichischer Buchbinder, Kommunalpolitiker und Gastwirt. Er gründete im Jahre 1869 eine Arbeiter-Bau-Genossenschaft, womit die Vereinssiedlung und das heutige Stadtviertel Josefstadt von Wiener Neustadt begründet wurde. Er war von 1870 bis 1876 Gemeinderat von Wiener Neustadt und damit historisch der erste Gemeinderat der SPÖ.

Julius Kinner kam als vierjähriger nach Wiener Neustadt, weil sein Vater im Zuge der Errichtung der Südbahn im Heizhaus eine Arbeit gefunden hat. Sein Vater gab Kinner im Alter von 12 Jahren nach Wien in eine Lehre zum Buchbinder. Nach seinem Lehrabschluss begab sich Kinner auf die Walz nach Deutschland. Hierbei lernte er in Ulm seine zukünftige Frau Berta kennen.

Die beiden heirateten und ließen sich im Jahre 1862 in Wiener Neustadt nieder, wo Kinner mit 1. Juli 1862 in der heutigen Herzog-Leopold-Straße 26 ein Kleingewerbe als Buchbinder und Galanteriearbeiter gründete. Kinner hat sich bereits im Jahre 1862 in der Lokalpresse für bessere Wohnungen für Arbeiterfamilien geäußert und sich sehr bald in der entstehenden hiesigen sozialdemokratischen Arbeiterbewegung engagiert, was seine Karriere als Kleingewerbler nicht förderlich war.

Im Sommer 1867 sanktionierte der Kaiser die beschlossenen Staatsgrundgesetze, welche mit 1. Jänner 1868 in Kraft traten, womit ein Vereins- und Versammlungsgesetz gegeben war, worauf Arbeitervereinigungen entstanden, und Kinner in den Vorstand des Wiener Neustädter Arbeitervereins gewählt wurde. Im Mai 1869 bildete Kinner als Obmann mit Ludwig Neumayr als Stellvertreter ein Gründungskomitee, und eine Arbeiter-Bau-Genossenschaft wurde begonnen.

Die Genossenschaft kaufte vom Gastwirt und Schmid Franz Rupanowitsch dessen Haus und eine nördlich der heutigen Fischauer Straße liegende große, unbebaute Heidefläche, als Hutweide im Grundbuch, damals noch weit außerhalb der Stadt. Bereits mit 1. November 1868 wurden nach einem raschen Umbau im gekauften Gasthaus 25 Wohnungen mit Zimmer, Küche und Kabinett geschaffen und bezogen. Das erste Haus der Vereinssiedlung entstand 1870 in der heutigen Fischauer Straße 14 – 16. Inmitten der Vereinssiedlung wurde bei einer Dreifaltigkeitssäule ein begrünter Hauptplatz freigehalten, welcher später Dreifaltigkeitsplatz genannt wurde, und heute Josefsplatz heißt.

Julius Kinner wurde 1870 als Vertreter des 3. Wahlkörpers (Wählerklasse der „Mindestbesteuerten“) in den Gemeinderat gewählt. In dieser Funktion blieb er bis 1876.

Der Börsenkrach vom 8. Mai 1873 führte dazu, dass in der Folge die großen Aufträge für die Buchbinderwerkstätte stark zurück gingen. Kinner suchte eine Alternative und plante eine Gastwirtschaft auf der Rohrteichwiese in der heutigen Schleifmühlgasse in Wiener Neustadt, verkaufte jedoch das Projekt an den Gastwirt August Jaitner, um in der Folge im Zuge der Errichtung der Gutensteinerbahn von Leobersdorf nach Gutenstein, im Jahre 1874 in Matzendorf eine Gastwirtschaft Zum weißen Roß für die dortigen Arbeiter zu betreiben.

In Matzendorf bekam das Ehepaar Kinner zwei Töchter und einen Sohn. Aber die Gesundheit von Kinner wurde zusehends schlechter, weshalb Kinner zu Weihnachten 1893 einen Vormund für seine Kinder bestellte, und wenige Wochen später verstarb. Der Wiener Neustädter Arbeiterfunktionär Theodor Behlolawek hielt die Grabrede. Die Witwe Berta verstarb am 12. November im darauffolgenden Jahr 1895. Die Arbeiter von Matzendorf stifteten einen Grabstein für die Eheleute, mit dem Spruch Ruhet sanft, gewidmet von ihren Freunden.

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